Kirmestreiben in den 20er Jahren in der Kaiserstraße vom Gasthaus Zur Post (Glasersch) aus gesehen. Links die Treppe der Johanneskirche. Im Hintergrund die Marktstände und Karussells
Die Rohrbacher Kirmes hat seit 1896 immer einen festen Termin, nämlich am ersten Sonntag nach dem 21. September.
Der Gemeinderat von Rohrbach hat in seiner Sitzung vom 12. Juni 1896 folgendes zu Protokoll gegeben: „Zufolge Auftrages des königlichen Bezirksamtes faßt hiermit der Gemeinderat Rohrbach den Beschluß, dass künftighin das Kirchweihfest für Rohrbach auf den ersten Sonntag nach dem 21. September fallen soll, damit nicht in einzelnen Jahren das örtliche Kirchweihfest mit dem Ernte-Dankfest in der protestantischen Kirche zusammenfällt“.
In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts fand der Kirmesmarkt mit den Ständen und Karussells in der Kaiserstraße zwischen dem ehemaligen Gasthaus Erbelding (heute Bäckerei Jakobs) und der Drehscheibe statt (siehe Titelfoto).
Andreas Deckarm („de alt Persil“) erzählte 1963 dem verstorbenen Lokalreporter Albert Senzig: „An den Vorkirmestagen sammelten die Rohrbacher Buben ihr Kirmesgeld ein, das sie sich durch das Geißenhüten verdienten. Für das Hüten einer Geiß erhielten die Buben drei Pfennige und für zwei Geißen fünf Pfennige. Damals gab es in Rohrbach noch viele Hundert Geißen, von denen die Buben jeweils 10 bis 20 Geißen gehütet haben“
Gleichzeitig war die Kirmes ein großes Familienfest, zu dem zahlreiche Verwandte anreisten. In der Kirmeswoche hatten die Hausfrauen reichlich viele Hausarbeiten zu erledigen. So erzählte Andreas Deckarm, dass eine Frau einer 13-köpfigen Familie 40 Kuchen gebacken habe.
Um 1924 Straußbuben und -mädchen im Eck
Drei Tage, von Sonntag bis Dienstag, wurde zünftig Rohrbacher „Kerb“ gefeiert.So mancher Berufstätige bekam keine „Schicht“. Der Produktionsausfall in den Rohrbacher Firmen soll so beträchtlich gewesen sein, dass die Pfälzische Handwerkskammer sich einschaltete und eine Verkürzung der Kirmesfeierlichkeiten forderte. Der Gemeinderat beschloss jedoch dem Antrag der Handelskammer nicht stattzugeben.
1927 Kirmesgesellschaft im Gasthaus Luitpoldslust im Unnerdorf1931 Kirmesgesellschaft – Halblinks auf dem Foto in der vorderen Reihe eine mitgeführte Kuh. Das Foto ist vermutlich vor einem Haus im Eck entstandenUm 1940 Kettenkarussell auf der Rohrbacher Kirmes
Auch in den Kriegsjahren wurde die Rohrbacher Kirmes weiterhin munter an drei Tagen gefeiert. In allen Gastwirtschaften herrschte reges Treiben. Musikkapellen spielten zur Unterhaltung und zum Tanz. Auf dem Marktplatz standen Karussells und Verkaufsstände.
1953 Kirmesgesellschaft in der Spieserstraße neben „Platte’s Wirtschaft (Gasthaus Rohe). In der hinteren Reihe von links: Heinz Jacob (90), Rosetrude Michaeli, Ewald Marquitz, Jakob Becker, Emil Michaeli, Albrecht Jung. In der mittleren Reihe von links: Kurt Abel, Helene Michaeli, Elisabeth Würz, Berthold Müller, Ella Michaeli, Eduard Gebhardt. Vorne von links: Rene Mörschel, Herbert Latz (der Hexer) und Heinz AbelUm 1954 Fröhliche Kirmesgesellschaft vor dem Gasthaus Rohe in der Spieserstraße (Schlawerie)1961 Die Straußbuben und -mädchen. In der ersten Reihe von links: Günter Wagner, Walter Zeiger, Margit Schubert und Franz Werner Zimmermann. Rechts hinten mit Hut, Lothar Friedrich1964 Fußballer des Sportverein Rohrbach am Kirmesmontag beim Hammelaustanzen. Auf dem Foto von links: Günter Brahm, dahinter Dieter Tobae, daneben Detlev Hanser, Hans Peter Klahm (Kitzje), Hans Werner Schuh (Schlappe), Siegfried Weber (Jule), Alois Lesch und Günter Schubert1964 Die Straußbuben Manfred Jung (Jumbo), Hans Werner Schuh (Schlappe), Günter Schubert, Siegfried Weber (Jule) und dahinter Gerd Jung1987 Die „Neinzicher Bierbuwe“ als Straußbuwe.Auf dem Foto stehend von links: Michael Dusemond, Thomas Niewalda, Lawrence Beck, Thomas Klam, Günter Spaniol, Markus Kolling, auf der Schulter Rainer Klam und Markus Groh. Kniend von links: Roland Weber, Jürgen Agne, Jürgen Stolz, Christoph Schwarz, Volker Tobae, Klaus Schwarz und Peter Hien2015 Straußbuwe und – mädchen1965 Die Bierkehlchen bringen beim Frühschoppen im Gasthaus Zur Post (Glasersch) am Kirmessonntag ein Ständchen. Albert Knoch bittet um eine kleine Spende1966 Kirmesmontag an der Edelweißhütte. Auf dem Foto stehend von links: Kurt Braun, Erich Fleck, Albrecht Jung, Peter Stolz, Helmut Brass, Edi Klam, Herbert Staub, Hermann Noll, Otto Wellner, Nikolaus Best, Albert Pfeifer, Heinz Abel, Hans Zeiger. Kniend von links: Theo Scholl, Willi Kaiser, Rudolf Staut (Schersche), Alex Luckas, Arnold Abel (de Knoche)
Der Kirmesplatz wurde später in die Bahnhofstraße verlegt, gegenüber dem ehemaligen Kaufhaus Karl Gaffga und verblieb dort bis 1962. Später entstand auf diesem Platz das neue Rathaus, in dem von 1966 bis 1973 die Gemeindeverwaltung Rohrbachs und von 1974 bis Mai 2016 die Verwaltung der Stadtwerke St. Ingbert ihren Sitz hatte.
Blick von der Christuskirche nach Norden. Rechts im Bild der große, freie Platz ist bis 1962 der Marktplatz. Hergerichtet wird er Ende der 30er Jahre vom Reichsarbeitsdienst (RAD). Links im Bild die Eckstraße mit den ehemaligen SAM-Werken1948 Die Geschwister Edlinde und Gisela Allmannsberger1948 Verkaufsstände auf dem Marktplatz vor dem Kaufhaus Karl Gaffga1948 Junge Frauen auf dem Kirmesplatz. Auf dem Foto von links: Mariechen Mack, Maria Michaeli, Hedwig Kessler und Edeltrud MarxUm 1952 Blick vom Marktplatz in die Bahnhofstraße (Früheres Rathaus und Stadtwerke)Kerb in den 50er Jahren – Blick von der Bahnhofstraße auf den Kerweplatz und die Christuskirche (Gemälde von Günter Weiland)
Der Bär auf der Rohrbacher Kirmes 1954 :
Der kleine Junge fühlt sich ersichtlich nicht wohl in seiner Haut. Vergeblich hat er sich gegen das Ansinnen seiner Eltern, ihn mit dem Bären fotografieren zu lassen, gesträubt. Zu übermächtig war die Angst vor dem großen Bären. Um dem Jungen zu zeigen, dass keine Gefahr bestand, hatte der Mann, der im Bärenfell steckte, sogar den Kopf des Bärenkostüms angehoben und sein Gesicht gezeigt. Dieser Beruhigungsversuch verkehrte sich jedoch ins Gegenteil. Denn der Junge sah jetzt mit seinen eigenen Augen, dass der Bär den Mann gefressen hatte, so wie der Wolf Rotkäppchens Großmutter. Niemand verstand die Panik des Jungen und so wurde er trotz seiner Gewissheit, als nächster gefressen zu werden, mit dem Bären fotografiert. Noch heute, mehr als 60 Jahre danach, träumt er hin und wieder von Bären und anderen Untieren, die ihn fressen wollen.
1954 Der kleine Axel Schwarz steht ehrfürchtig vor einem Eisbären auf dem KirmesplatzUm 1955 Die Kinder Michael und Helmut Hooß auf dem Kirmesplatz in der Bahnhofstraße1956 Blick von der Bahnhofstraße auf den Marktplatz mit den Karussells und den Verkaufsständen. Auf dem Foto die Kinder Karl und Anita Abel sowie Margarete Jakob1963 Spatenstich für das neue Rohrbacher Rathaus. Das Schicksal des jahrelangen Marktplatzes ist endgültig besiegelt1963 fand erstmals das Johannesfest und die Kirmes auf dem neuen Marktplatz Hinter den Gärten statt
Ein paar Fotos von den verschiedensten Kirmessen von 1965 bis 2009.
Das Überangebot an Festen der letzten Jahrzehnte, Dorffeste, Vereinsfeste und Oktoberfest ließen die alten Bräuche wie Hammelaustanzen, Umzug der Straußbuben, Tanzveranstaltungen und das Einsammeln des Kirmesgeldes der Geißenhüter nach und nach in Vergessenheit geraten. Es kamen immer weniger Schausteller. Gründe waren die unzureichenden Einnahmen und zeitgleiche Feste in der Umgebung.
Um nicht noch mehr Tristesse aufkommen zu lassen, rief der Männerchor 1860 im Jahr 2000 das „Kerwesingen“ ins Leben. Den Auftakt der Kirmes bildet ein Festzug vom ehemaligen Rathaus in der Bahnhofstraße, durch die Eckstraße, Hinter den Gärten zum Hof der ehemaligen Wiesentalschule.
Voran der SchützenvereinDie Neinzicher BierbuweDer Männerchor mit dem StampessteßerGünter Weiland hält seit dem Jahr 2000 die „Kerweredd“Viel Treiben im Schulhof der früheren WiesentalschuleBlick auf den FestplatzProst – Fit und Flott – Die Damen vom KneippvereinDie Männerchordamen musikalisch unterstützt von Elisabeth GaffgaDie „Schoppesänger“ der „Neinzicher Bierbuwe“Zwei Garanten für den Erfolg des alljährlichen „Kerwesingens“ des Männerchores am ehemaligen Wiesentalschulhaus: Erich Wagner (Caramba) der mit Songs von Freddy Quinn die Zuhörer erfreut und Martin Biedermann, der die zweitägige Veranstaltung moderiert
Es folgenden noch vier Collagen von dem Rohrbacher Hobbyfotografen Manfred Agatter vom Kerwesingen 2008.
Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung von Dr. Axel Schwarz, Manfred Agatter, Karl Gebhardt, Walter Gehring, Günter Weiland, Roland Weber, den Rohrbacher Heimatfreunden, Michael Hooß und Horst Diehl.
Hallo Karl
Schön, wieder alte Bilder über Rohrbacher Ereignisse von alten und
mittel alten Zeiten zu sehen.
es hat mich sehr gefreut, Bilder zu sehen, mit denen bei mir alte
Erinnerungen nochmal ins Gedächtnis gerufen wurden.
Herzlichen Dank für dein Bemühen. Mach weiter so!
Günter Jung
Schöne Bilder und vielen Dank Karl, et all, für die Erinnerungen der Kindheit. Möchte bald mal wieder auf die ‚Kirmes‘ und auf das ‚Klassentreffen kommen. Nochmals, vielen Dank und weiterhin viel Spaß mit Deinen Reportagen, Bildern usw. ~ Du machst allen Rohrbachern, die weit weg wohnen, immer eine ganz große Freude. Viele lieben Grüße, auch an die liebe Doris und auf ein baldiges Wiedersehen. R.T. Panfil (Huss)
Hallo Karl,
wieder mal ein super Bericht über unsere frühere Kerb.
Schön nochmal die alten Fotos zu sehen.
Danke für den nostalgischen Rückblick.
Marietta Schwarz
zu ganz später Stunde habe ich mir deine Zusammenfassung über die Kirmes angeschaut. Es macht viel Spaß, die alten Bilder zu sehen und etliche Leute wiederzuerkennen. Es werden Erinnerungen wach, auch unsere Familie war immer auf der Kirmes. Ich habe meinen Opa vemisst, der mit dem Gesangverein auf vielen Festen war.
Ja, das waren noch Zeiten! Alle Rohrbacher und Gäste freuten sich schon wochenlang vorher auf die Kirmes. Meine Mutter backte auch zwanzig bis dreißig Kuchen zu diesem besonderen Anlass. Am meisten freute ich mich auf die Karussells. Die Schiffschaukel war mein Favorit, aber ich hasste es, wenn sie die Bremsen anzogen, da ich immer Angst hatte, aus dem Schiff zu fallen. Alles war damals ziemlich primitiv, aber es spielte keine Rolle; ich hatte trotzdem viel Spaß.
Einige lächelnde Gesichter auf den Bildern waren mir noch bekannt. Sie brachten mir Tränen in die Augen; immerhin sind schon fast 60 Jahre vergangen.
Möchte mich recht herzlich bedanken, Karl, solche Momente in Erinnerung zu bringen. Deine Hingabe zur Heimat, zusammen mit Hilfe Deiner Freunde, wird enorm geschätzt. Jeder, der Deine Website besucht, profitiert davon. Mach weiter so!
Else Bens
Danke Karl für den Bericht und die Bilder von der Kerb. Es war sehr interessant. Mach weiter so in Rohrbach. Es ist immer schön die alte Heimat zu sehen. Berlin, 15.09.2019
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