„Ich hann off de Kathrin geschafft“ . Diesen Ausspruch hörte man früher öfters in Rohrbach und in den umliegenden Orten. Gemeint war die frühere Firma Ernst Heckel (heute Thyssenkrupp). In einem mehrteiligen Artikel will ich die wechselhafte Firmengeschichte beleuchten.
Die Gesellschaft für Förderanlagen Ernst Heckel bestand seit dem 27. Juni 1905. Sie hatte ihren Ursprung in einem Unternehmen, das der Seilermeister Georg Heckel 1784 in Saarbrücken gründete und, in dem Seilerwaren aller Art, insbesondere Hanfseile, handwerklich geschlagen wurden. Mitte des 19. Jahrhunderts begann man Seile aus Draht auf mechanischem Wege herzustellen. Nun begann Georg Heckel mit der fabrikmäßigen Herstellung von Drahtseilen und konnte den Absatz von Jahr zu Jahr rapide steigern und seine Produkte weit über die Grenzen des Saarlandes hinaus vermarkten. Der Enkel des Firmengründers Georg Heckel, Ernst Heckel wurde 1861 geboren. Nach dem Besuch der königlichen Gewerbeschule studierte er an der Technischen Hochschule in Karlsruhe. Nach einigen Jahren im väterlichen Betrieb reiste er 1890 zur Weltausstellung nach Chicago. Seinen Aufenthalt in den USA nutzte Ernst Heckel dazu, seine Fachkenntnisse zu erweitern und Industriebetriebe aller Arten zu besichtigen.
Sein ihn damals bewegender Gedanke war, Transportanlagen zu bauen, die durch Verwendung der väterlichen Drahtseile den Umsatz des Unternehmens steigern würden. 1896 gelang es Ernst Heckel, bei seinem Vater die Errichtung einer Abteilung für den Bau von maschinellen Streckenförderungen durchzusetzen. Er übernahm die Leitung dieser Abteilung und legte damit den Grundstein zu der späteren Gesellschaft für Förderanlagen Ernst Heckel.
1904 begann die Planung zum Bau von Drahtseilbahnen. Die erste Bahn wurde 1905 in Westfalen errichtet. Die Abteilung Streckenförderungen war inzwischen so umfangreich geworden und hatte sich in den Fertigungszielen von denen der Drahtseilfabrik so weit entfernt, dass Ernst Heckel am 27. Juni 1905 die Gründung eines selbständigen Unternehmens vornahm, der Gesellschaft für Förderanlagen Ernst Heckel .
Am 12. Februar 1906 wurde in Rohrbach die „Katharinahütte“, eine Maschinenfabrik und Eisengießerei, von dem Ingenieur Ludwig Erhardt und dem Kaufmann Georg Schmidt käuflich erworben. Die Katharinahütte, im Volksmund „Kathrin“ genannt, war 1898 von einem Ingenieur Harig erbaut worden, der die Gießerei nach dem Vornamen seiner Frau benannte. Alleiniger Fabrikationszweig war der Poterieguss.

Mit dem Anschluss an das Eisenbahnnetz, sowie der Verfügbarkeit von billigem Bauland und billigen Arbeitskräften Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verlegten immer mehr Firmen ihren Sitz nach Rohrbach.
Ernst Heckel hatte nun einen Eisenbahnanschluss, worauf er immer großen Wert legte und ein Riesenpotential an Erweiterungsbauten. Mit dem Erwerb dieser Werkstätten trat sehr rasch eine Vergrößerung des Fabrikgeländes und eine weitere Erweiterung des Fertigungsprogrammes ein. Für seine Facharbeiter, die nach Rohrbach übersiedelten, baute Ernst Heckel fünf Doppelhäuser mit je 4 Wohnungen in der Mühlstraße (off de Kolonie). Auch im Ort erstand Ernst Heckel etliche Wohnhäuser für seine Mitarbeiter.

Da unter den neu angesiedelten Mitarbeitern auch viele evangelische Christen mit Kindern waren, unterhielt die Firma eine evangelische Schulstelle, die später von der Gemeinde Rohrbach übernommen wurde. (Siehe hierzu auch mein Artikel hier auf dieser Webseite über die Geschichte der Evangelischen Volksschule in Rohrbach).
https://rohrbach-nostalgie.de/2011/05/20/die-geschichte-der-evangelischen-volksschule-rohrbach/
Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren beim Unternehmen einschließlich Monteure mehr als 200 Arbeiter beschäftigt.
Als im ersten Weltkrieg der Bewegungskrieg auf deutscher Seite erstarrte und sich in ein Stellungskrieg entwickelte, ergaben sich insbesondere in höher gelegenen Kampfzonen, wie zum Beispiel in den Vogesen und Alpen, Transportschwierigkeiten. Dieser Umstand veranlasste die Militärführung, Ingenieure der Firma Ernst Heckel in Rohrbach mit der Konstruktion einer Seilbahn zu beauftragen, die den geforderten Transportbedingungen im Frontbereich gerecht wird. Es sollte eine Seilbahn sein, die in kürzester Zeit gebaut werden konnte und neben Kriegsmaterial wie Munition auch Lebensmittel und Verwundete befördern kann.
Als Seilbahnstützen wurde Holz in die Seilbahnkonstruktion einbezogen, denn Holz als Baumaterial war praktisch überall vorhanden. Die Einzelteile der Seilbahn wurden als Bauelemente entwickelt und waren so genormt, daß bei einem etwaigen Ausfall eines der Teile durch Beschuss, das beschädigte Element unverzüglich ausgewechselt werden konnte. Die hölzernen Tragstützen dieser Kriegsseilbahn erhielten durch Seilabspannungen zum Boden eine beachtliche Standfestigkeit. Die „Heckelsche Kriegsseilbahn“ war so konzipiert, daß sie nicht nur Kriegsmaterial und Verpflegung vom Tal in unmittelbare Nähe der hochgelegenen Stellungen transportieren konnte, sondern auf dem Rückweg, also bei der Talfahrt, wurden gegebenenfalls Kranke und Verwundete hinunter zur Talstation befördert. Die Transportvorrichtungen wurden dabei ausgewechselt. Die heutigen Sesselliftbahnen ähneln in ihrer Konstruktion in einem Punkt dieser Kriegsseilbahn von Heckel: Zug- und Tragseil bilden eine Einheit. Eine solche Musterseilbahn wurde 1915 in Rohrbach am Kahlenberg aufgebaut und diente hier einige Zeit zu Demonstrationszwecken für die Heeresleitung. Der damalige Eigentümer des Rohrbacher Werkes, Dr. Ernst Heckel, war Hauptmann des 70. Infanterieregimentes in Saarbrücken. Damit war es möglich, daß „seine Soldaten“ die Kriegsseilbahn dem Militär in Rohrbach vorführten. Die Talstation befand sich an der Stelle, an dem heute das Verwaltungsgebäude (Heckel-Hochhaus) steht. Heckelsche Kriegsseilbahnen kamen in der Folgezeit an verschiedenen Fronten zum Einsatz.
Während der Kriegsjahre des Ersten Weltkrieges 1914-1918 kamen die lebhaften Geschäftsbeziehungen, die die Firma bis dahin mit dem Ausland führte, zum Stillstand. Während dieser Zeit war das Hauptarbeitsgebiet die Entwicklung und der Bau von Einseil- und Zweiseil- Drahtseilbahnen, die in großer Zahl zur Lieferung kamen.
In Anerkennung seiner Verdienste um die Entwicklung der Fördertechnik wurde Ernst Heckel 1917 zum königlich-bayerischen Kommerzienrat ernannt. Ein Jahr später verlieh ihm die Technische Hochschule die Würde eines Dr.-Ing. e.h.
1927 wurde aufgrund finanzieller Probleme die Gesellschaft für Förderanlagen Ernst Heckel m.b.H an die Felten & Guilleaume AG, Köln verkauft. Ernst Heckel wurde Mitglied des neuen Aufsichtsrates. Der frühere Generaldirektor von Felten & Guilleaume, Regierungsbaumeister a. D. Fritz Lehmann hatte der Firma Heckel im Vertrauen auf die günstige Weiterentwicklung immer mit viel Verständnis mit den anderen Herrn des Aufsichtsrats beigestanden und sich insbesondere für den Ausbau des Werkes Rohrbachs eingesetzt.

Inzwischen wurden auch Drahtseilbahnen für Personenbeförderung gebaut. Neben der Lieferung von zahlreichen im Pendelbetrieb arbeitenden Anlagen wurde das Umlaufsystem mit Großkabinen entwickelt. Dieses System wurde weltweit erstmals bei der Schauinslandbahn im Schwarzwald bei Freiburg angewandt. In zehn Kabinen für je 26 Personen konnten stündlich 700 Personen über eine Entfernung von 3600 m bei einem Höhenunterschied von 750 m befördert werden.
In den Folgejahren wurde eine ganze Reihe von bedeutenden Fördereinrichtungen größeren Umfangs projektiert, gebaut und in Betrieb genommen. als die Nachfrage stärker wurde, gründete man 1929 die Abteilung für Aufbereitungsanlagen.
Die Werkstätten mussten erweitert werden, reichten jedoch für die Fertigung der in immer steigendem Maße benötigten Eisenkonstruktionen nicht mehr aus. Deshalb wurde 1930 die frühere Dudweiler Eisenbau-Anstalt erworben.
Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges brachte große Veränderungen. Saarbrücken musste wegen der Grenzlage sofort geräumt werden. Die Hauptverwaltung wurde im September 1939 nach Köln und im Oktober nach Frankfurt am Main verlegt, konnte jedoch im August 1940 nach Saarbrücken zurückkehren.
Die Werkstätten in Rohrbach und Dudweiler waren von der Räumung nicht betroffen und konnten ungehindert weiter produzieren.
1940 wurde eine Abteilung zum Bau von Wagenumläufen für Anlagen über und unter Tage gegründet. Ebenfalls begann die Konstruktion und Fertigung von Getrieben für die eigenen Anlagen sowie Aufträge für Dritte.
Die weiteren Kriegsereignisse und die Zerstörung der Büroräume in Saarbrücken zwangen die Firma zu einer zweiten Evakuierung der Hauptverwaltung nach Nordwürttemberg und Baden.

Nach Kriegsende konnte die Hauptverwaltung im Sommer 1945 wieder nach Saarbrücken zurückkehren ins frühere Civilkasino, heute Sitz des Saarländischen Landtages. Die Werkstätten in Rohrbach wurden bald wieder mit neuen Aufträgen versorgt und ständig weiter ausgebaut. Das Werk Dudweiler wurde aufgegeben, nachdem die Fertigung von Stahlbauten im Werk in Rohrbach zentralisiert wurde.
Ende 1948 wurde in Saarbrücken das ehemalige Keglerheim in Saarbrücken als vorübergehender Sitz der Hauptverwaltung erworben.

Um bei kombinierten Großanlagen auf Zulieferungen anderer Firmen verzichten zu können, wurde 1946 die Abteilung Kranbau gegründet.
Der wirtschaftliche Aufschwung des Unternehmens ging von Jahr zu Jahr voran. Die Lieferung von kombinierten Großanlagen hatte wesentlich an Bedeutung gewonnen. Bedeutsame Erfolge wurden auch im Exportgeschäft erzielt.
Fortsetzung folgt
Details zu diesem Artikel wurden entnommen aus der Festschrift „50 Jahre Heckel Anlagen“ aus dem Jahr 1955, dem Heimatbuch „800 Jahre Rohrbach 1181-1981″ der Rohrbacher Heimatfreunde sowie des Buches der Rohrbacher Heimatfreunde von Gerhard Wilke „Eine saarländische Firmengeschichte Heckel-Thyssenkrupp 100 Jahre Förderanlagenbau in Rohrbach 1905-2005″
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