Der 14. November 1948 erschütterte nicht nur Rohrbach, sondern sorgte in der gesamten Region für Bestürzung: Bei einem Unglück zwischen Mimbach und Breitfurt ertranken 20 junge Fußballer des Sportverein Rohrbach in der Blies. Es ist bis zum heutigen Tag, sieben Jahrzehnte danach, der schwerste Verkehrsunfall, der sich im Saarland je ereignet hat.
Dreieinhalb Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges: Die Gemeinde Rohrbach war, wie so ziemlich alle Dörfer und Städte in den vom Krieg betroffenen Ländern Europas, damit beschäftigt, die schlimmsten Kriegsfolgen zu beseitigen. Der Wiederaufbau der zerstörten Häuser hatte schon längst begonnen, und die Dorfbewohner versuchten, endlich wieder ein normales Leben zu führen. Die Lebensmittelversorgung hatte sich nach der Einführung des Franken ein Jahr zuvor schon etwas verbessert, aber es haperte an allen Ecken und mangelte an vielem.
Die Landstraßen waren zwar schon wieder einigermaßen hergerichtet worden, befanden sich jedoch zumeist noch in schlechtem Zustand. Aber damit konnte man leben, denn es gibt in dieser Zeit kurz nach dem Krieg ohnehin nur sehr wenige Autos.
Für die Beförderung einer ganzen Fußballmannschaft und einiger Begleitpersonen zu einem Auswärtsspiel standen aber noch keine Omnibusse zur Verfügung. Also wurde dazu gelegentlich einer der alten Lastwagen verwendet, die den zerstörerischen Krieg leidlich überstanden hatten und notdürftig wieder in einen fahrbereiten Zustand versetzt worden waren. Aber waren sie auch sicher genug ?
Der Transportunternehmer Hermann Siems, seit 1945 in Rohrbach wohnhaft, erhielt vom örtlichen Sportverein den Auftrag, die örtliche Fußballmannschaft samt Zuschauern mit seinem Lkw der Marke Büssing zu einem Spiel nach Herbitzheim zu transportieren. Das Fahrzeug, inzwischen 16 Jahre alt, besaß die Zulassung für 6,5 Tonnen Ladung und zur Beförderung von maximal 49 Personen. Er hatte den Laster erst zwei Monate zuvor gekauft. Später, bei der Vernehmung durch die Polizei, gab Siems zu Protokoll, dass er neun Bänke quer im Wagen aufgestellt hatte, davon fünf mit Eisenschrauben am Boden befestigt. Die vier anderen hatte er mit Latten an die festgeschraubten Bänke angenagelt. Seiner Ansicht nach saßen 40 bis 45 Personen, bis auf zwei Frauen nur Männer, im Fahrzeug. Über die Ladefläche, auf der sich die Passagiere befanden, war eine Plane gespannt. Im Führerhaus neben ihm als Fahrer saßen der Erste Vorsitzende des Sportvereins Rohrbach, Walter Bettinger, sowie das Vorstandsmitglied Oskar Backes.

An besagtem Tag, einem Sonntag, fuhr der Laster um 12.10 Uhr in Rohrbach ab. Gegen 12.50 Uhr passierte es: Einige Meter vor der Unfallstelle zwischen Mimbach und Breitfurt gab es plötzlich einen Ruck und die Räder drifteten nach rechts. Der Fahrer versuchte, das Fahrzeug wieder in die richtige Position zu bringen, doch die Steuerung versagte. Die Fußbremse und auch die Handbremse zeigten keine Wirkung mehr.
Das Unheil nahm nun seinen Lauf. Der Wagen rutschte über die an dieser Stelle drei Meter tiefe Böschung hinab in die eiskalte Blies. „Zunächst herrschte Totenstille, danach begann im Innern der Kampf ums Überleben. Die Plane über dem Lkw erwies sich als Verhängnis, da sie die Ladefläche rundum verschloss und ein Entkommen aus der Falle nur noch an der Rückseite möglich war“, berichtete Heinz Michaeli, ein Überlebender des Unfalls. Erschwert wurde die Flucht aus dem „schwimmenden Sarg“ durch die Holzbänke. Für viele der Insassen gab es kein Entrinnen mehr.

Breitfurter Fußballer, die auf dem Weg zu einem Spiel nach Einöd waren und am Unfallort vorbeifuhren, stoppten sofort und bauten mit Leitern und Dielen eine Brücke zu dem LKW, um zu helfen. Rasch waren auch andere Rettungskräfte vor Ort. Am Abend erklärte der Polizeipräsident, dass zu diesem Zeitpunkt 16 Tote nach St. Ingbert abtransportiert worden seien. Ihre Identität war bis dahin noch nicht geklärt. Sieben oder acht Schwerverletzte seien nach St. Ingbert und Blieskastel gebracht worden, 15 bis 20 Leichtverletzte nach Breitfurt. Erst am nächsten Morgen stand die endgültige Bilanz des Schreckens fest: 19 Männer und eine Frau waren bei dem Unfall in der Blies gestorben. Ein ganzes Dorf trug nun Trauer. Viele Rohrbacher Familien waren betroffen. Einige der jungen Sportler hatten den mörderischen Zweiten Weltkrieg heil überstanden und nun den Tod gefunden. Der Jüngste unter ihnen war der 17-jährige Hans Kessler. Im ganzen Land gab es schnell eine große Welle der Hilfsbereitschaft. Geldspenden von Sportverbänden und -vereinen gingen für die oft mittellosen Familien ein.

Am 17. November, dem Buß- und Bettag, fanden die Trauerfeierlichkeiten statt. Zunächst gab es in der Pfarrkirche St. Johannes ein feierliches Requiem. Daran teil nahmen der Hohe Kommissar der Französischen Republik, Gilbert Grandval, der saarländische Ministerpräsident Johannes Hoffmann, die Minister Dr. Straus, Dr. Braun, Dr. Singer, Landtagspräsident Peter Zimmer und Vertreter des Landessportverbandes. Anschließend bewegte sich ein Trauerzug von der Kirche zum Schulhof der Pestalozzischule. Dort nahm der katholische Pfarrer Johannes Drauden die Einsegnung vor, die Trauerfeier für die Bevölkerung schloss sich an. Einige Tausend Menschen gaben den toten Sportlern das letzte Geleit.
Ministerpräsident Johannes Hoffmann sagte: „Aus jedem Unglück lässt sich die Folgerung ziehen, dass wir alle einander helfen müssen. Ich danke all denen, die bis heute geholfen haben und die hier erschienen sind. Den Toten aber rufe ich zu: Ruhet sanft in der Heimaterde und auf Wiedersehen in der himmlischen Heimat!“.
Der Hohe Kommissar Gilbert Grandval bekundete das Beileid der Französischen Republik und der Mitarbeiter seiner Behörde. Er sagte: „Dieser 14. November war wie ein Frühlingssonntag. Doch heute können wir uns nicht mehr an ihn erinnern, ohne dass Tränen in die Augen treten, denn wir alle gehören zur großen Menschenfamilie. Und ich habe um diese Toten geweint, als hätte ich sie alle gekannt. Mein Herz ist zu sehr ergriffen, die richtigen Worte finden zu können. Wir werden die saarländische Regierung unterstützen, denn den Hinterbliebenen muss geholfen werden. Denen aber, die jetzt nicht mehr unter uns sind, rufe ich zu: ‚Auf Wiedersehen!‘“.

Anschließend wurden die Särge auf Lkws geladen und in einem großen Trauerzug durch Rohrbach zum Friedhof geleitet. Am offenen Grab spielten sich erschütternde Szenen ab. Die 20 Opfer des Unglücks wurden in einem Ehrengrab beigesetzt.

Der Trauerzug bewegte sich durch die Detzelstraße, die Bahnhofstraße, die Spieserstraße zur Kirchhofstraße und dann zum Friedhof ans Ehrengrab.

Der Fahrer des Unfallfahrzeugs, Hermann Siems, wurde wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und von der Zweiten Saarbrücker Strafkammer zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.





Die Beisetzung der Toten im Ehrengrab auf dem Friedhof



Bis ins Jahr 1978 fand, stets am Buß- und Bettag, in der Pfarrkirche St. Johannes ein Gedenkgottesdienst für die verunglückten Fußballer statt. Anschließend begaben sich die Teilnehmer von der Pfarrkirche aus in einem Trauerzug auf den Friedhof und legten am Ehrengrab einen Kranz nieder.




1988, am 15. November genau, wurde in Breitfurt an der Straße nach Mimbach, wo 1948 das Unglück seinen Lauf genommen hatte, ein Gedenkstein enthüllt. Allerdings befindet sich dieses Denkmal aus Sicherheitsgründen ungefähr 200 Meter vom tatsächlichen Unfallort entfernt.

Die Grabstätte auf dem Rohrbacher Friedhof wurde 1992 von der Stadt St. Ingbert renoviert und in eine Ehrengedenkstätte umgewandelt. Heute, sieben Jahrzehnte später, sind die Wunden von damals vernarbt. Aber vergessen sind die 20 jungen Menschen, die damals ihr Leben verloren nicht.

Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung der Rohrbacher Heimatfreunde.
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