Firma Festo – Die ersten „444 Arbeitstage“ im Zweigwerk Rohrbach

Im Jahr 1966 erwarb die pharmazeutische Firma Iptor St. Ingbert einen Teil des Rohrbacher Pfeifferwaldes, um hier ihre neue Fabrikationsanlage zu errichten. Im Juni 1967 waren die Fundamententierungsarbeiten fertig und im Oktober standen die Fabrikationshallen, die in Fertigbauweise erstellt wurden, im Rohbau. Doch kurzfristig verzichtete die Iptor AG auf die Fertigstellung der Gebäude und entschloss sich, die Produktion ihrer Arzneien in Groß-Gerau aufzunehmen.

Nach ebenso schwierigen wie dramatischen Verhandlungen gelang es dem Rohrbacher Bürgermeister Walter Bettinger und Vertretern des Gemeinderates die Firma Festo nach Rohrbach zu holen. Am Freitag, dem 28. Juni 1968 trat die Firma Festo – Pneumatic aus Berkheim bei Esslingen bei einer Pressekonferenz in Rohrbach erstmals an die Öffentlichkeit und teilte mit, dass man die Anlagen der Iptor AG aufgekauft habe um hier zu produzieren.

1967 im Juni entstand diese Halle der Firma Iptor in Fertigbauweise

Der Kaufpreis betrug 1,8 Millionen DM. Die Firma Iptor hatte bekanntlich ihre Fertigung nach Hessen verlagert. An der Pressekonferenz nahmen prominente Vertreter des öffentlichen Lebens u. a. Landrat Schwarz, MdL Karl Merz, Rohrbachs Bürgermeister Walter Bettinger, Ratsmitglieder von Rohrbach, Hans Scherer von der IG Metall und Vertreter des Arbeitsamtes teil. Die Sprecher der Firma Festo – Pneumatic gaben einen Einblick in ihre Pläne.

1967 Erstes Büro der Firma Festo in St. Ingbert hinter Wendling’s Eck

1967 im November warteten die fertiggestellten Hallen der Firma Iptor auf einen neuen Besitzer

1968 Die von der Firma Iptor erworbenen Hallen werden erweitert und für ihre Zwecke hergerichtet

Die Umgebung des Werkes wurde großzügig angelegt, u.a. ein Parkplatz für 120 PKW’s vorgesehen. Ein Gartenarchitekt war für die Grünanlagen zuständig. Außerdem stand eine größere Fläche für den weiteren Ausbau des Werkes zur Verfügung.

Neben Anlernkräften suchte man vor allen Dingen Facharbeiter für Galvanik und die Leichtmetallgießerei. Mitte des Jahres 1968 wurden 25 Mitarbeiter aus Rohrbach und Umgebung im Stammheim Berkheim ausgebildet. Sie sollten danach das Stammpersonal bilden. Aus einem Einzugsgebiet von 80 km gingen mehre hundert Bewerbungen ein, von denen etwa 15 bis 20 Prozent berücksichtigt werden konnten. Das Alter spielte keine Rolle. Allerdings sollten sie sich für eine Umschulung eignen und aus dem Saarland stammen.

1968 Die ersten Produktionshallen der Firma Festo

Der Juniorchef des Unternehmens, Dipl.-Kaufmann Wilfried Stoll sagte, es sei u.a. eine Montagehalle mit zwei Bändern geplant. In der ersten Ausbaustufe würden in zwei Maschinenreihen 50 Werkzeugmaschinen aufgestellt, die von 40 bis 50 Facharbeitern bedient werden sollten. Neben einer Spezialabteilung für Vorrichtungsbau sei eine Lehrlingsabteilung geplant, in der vorläufig zwölf Lehrlinge von einem erfahrenen Meister ausgebildet werden sollten.

1968 im Oktober lief die Produktion an. Ein Meister prüft Schlauchtüllen, die ersten Produkte des Rohrbacher Zweigwerkes

Zum Jahresende 1968 betrug die Beschäftigtenzahl 135. Zum Fachkräftemangel in der Anfangszeit kamen Lieferschwierigkeiten von Maschinen, Werkzeugen und sonstigen Einrichtungen.

1969 Die neugeschaffene Lehrwerkstatt mit ihrem Ausbildungsmeister Theo Best

1969 In einem mehrwöchigen Umschulungskurs im Werk Esslingen wurde der gelernte Werkzeugmacher Walter Meier zu einem qualifizierten Facharbeiter ausgebildet.

Im März 1969 waren die neuen Fabrikationsanlagen, zwei Hallen mit 3600 qm und 800 qm Nutzfläche, fertig. Sie erforderten eine Gesamtinvestion von sechs Millionen DM. Das Verwaltungs- und Sozialgebäude befand sich noch im Bau. Die Geschäftsführung beabsichtigte, die damalige Zahl der Belegschaftsmitglieder von 150 bis zum August 1969 auf rund 200 und bis Mitte 1970 auf etwa 350 zu erhöhen.

1969 im März wurde die Ausstellung Festo-Pneumatic in Anwesenheit führender Persönlichkeiten der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens eröffnet. Verkaufsleiter Erwin Blees (2. von von links) empfing die Gäste

Eine pneumatisch gesteuerte Heimorgel versetzte die Besucher, Bürgermeister Walter Bettinger, das Mitglied des Landtages Karl Merz sowie Landrat Albert Schwarz in Erstaunen

1969 im Oktober – Empfang der Gemeindeverwaltung Rohrbach für die Familie Stoll im neuen Rathaus

Einen Tag vor dem „Tag der offenen Tür“ gab der Rohrbacher Gemeinderat im Rathaus einen kleinen Empfang für die Familie Gottlieb Stoll. Der Rohrbacher Bürgermeister Walter Bettinger hob in seiner Begrüßungsrede hervor, dass es sozusagen „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen sei, als man sich das erste Mal in Berkheim begegnet sei. Es freue ihn, die Familie Stoll in Rohrbach begrüßen zu können. Er hoffe, dass die Wahl das Werk in Rohrbach aufzubauen, richtig gewesen sei. Anschließend trug sich die Familie Stoll in das Goldene Buch der Gemeinde ein. Zur Erinnerung an den Besuch in Rohrbach überreichte Bürgermeister Bettinger der Familie Stoll einen kupfernen Wappenteller der Gemeinde Rohrbach.

Der Firmengründer von Festo Gottlieb Stoll, daneben Bürgermeister Walter Bettinger und die Ehefrau von Gottlieb Stoll, Berta Stoll. Links die Söhne des Ehepaares Stoll

Ehrensenator Gottlieb Stoll dankte für die Ehrung und für das Geschenk der Gemeinde. Im Rohrbacher Werk könne man feststellen, dass seit dem vergangenen Jahr viel geleistet worden sei. Während des Empfanges unterhielten sich die Gemeinderatsmitglieder mit der Familie Stoll über weitere Pläne der Firma.

Gottlieb Stoll trägt sich in das Goldene Buch der Gemeinde Rohrbach ein

„444 Arbeitstage“ stand in großen Ziffern an der Wand der Fertigungshalle beim „Tag der offenen Tür“, als am 19. Oktober 1969 die Firma Festo zahlreiche Besucher im neuen Rohrbacher Werk begrüßen konnte. Denn seit die erste Schlauchtülle von einer halbautomatischen Drehbank kam, waren 444 Arbeitstage vergangen.

Frauen in der Fertigungskontrolle

Junge und alte Interessenten

Bekannte Gesichter

Kollegen unter sich. Der Ausbildungsleiter der Firma Festo Theo Best links, Friedel Becker Ausbilder bei der Firma PHB-Weserhütte mit seiner Frau Helga

Überall aufmerksame Zuhörer und Zuschauer

Blick auf das Firmengelände

Die Bergkapelle St. Ingbert spielte zur Unterhaltung der Besucher

Die Bergkapelle St. Ingbert musiziert

Auch die Familie des Firmengründers Gottlieb Stoll war stark vertreten

Für das leibliche Wohle sorgte die Metzgerei Diener aus Spiesen und Rohrbach

Für Speis und Trank war natürlich bestens gesorgt

Bekannte Gesichter

Nach dem Rundgang in gemütlicher Runde

Auch das Ehepaar Herta und Gottlieb Stoll war beim „Tag der offenen Tür“. Hier unterhalten sie sich mit dem Dirigenten der St. Ingberter Bergkapelle Theo Stolz und dem 2. Vorsitzenden der Bergkapelle Kurt Rixecker. Rechts auf dem Foto der Personalleiter der Firma Festo Klaus Ohler

Fortsetzung folgt

Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung der Rohrbacher Heimatfreunde.

7 Antworten zu „Firma Festo – Die ersten „444 Arbeitstage“ im Zweigwerk Rohrbach”.

  1. Sehr schöner Beitrag

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  2. Avatar von K.Johannes.G.
    K.Johannes.G.

    …..Friedel Becker, Ausbilder PHB, der Schwenker im Garten, wer hat: Hand heben!

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  3. Avatar von Christine Steffen
    Christine Steffen

    supertoller Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Fa Festo in Rohrbach.

    ich bin stolz bei Festo zu arbeiten.

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  4. Lieber Karl, liebe Mitstreiter+innen,

    danke für diesen höchst interessanten Beitrag und die tollen Fotos! Obwohl wir damals nur einen Steinwurf vom Werksgelände entfernt wohnten und unser Vater ab Januar 1970 selbst zum Festo-Team gehörte, war mir völlig neu, dass vorher schon die Firma Iptor ihr Glück versucht hatte.

    Festo war über Jahrzehnte ein ganz besonderes Unternehmen mit einem starken familiären Zusammenhalt. Mein Vater hat erzählt, dass die Seniorchefin persönlich die Betten gemacht hat, wenn sie aus Rohrbach zu längeren Schulungen oder Konferenzen in Esslingen waren. Heute, in einem global aufgestellten Konzern, ist natürlich auch dort vieles anders. Aber es bleibt ein absoluter Glücksfall für Rohrbach, dass diese Ansiedlung seinerzeit möglich war. Dafür kann man den unternehmerischen und politischen Akteur+innen der späten 60er Jahre nicht genug danken, zumal Saarberg und die Stahlindustrie noch eifersüchtig darüber wachten, dass nicht zu viel Konkurrenz um die begehrten Arbeitskräfte entstand.

    Beste Grüße aus dem fernen Saarbrücken :)!

    Wolfgang Wirtz-Nentwig

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  5. Avatar von Bernd Luckscheiter
    Bernd Luckscheiter

    Lieber Karl!

    Auf dem Weg zur Arbeit über die Autobahn und wieder zurück fuhr ich bis 1990 und ab 2001 bis 2006 an besagter Firma vorbei, einmal auf dem Hinweg, abends wieder zurück, von meinen Fahrradtouren ganz zu schweigen. Wenn ich als Marathonläufer trainierte, lief ich an der Firma vorbei bis zur Autobahnbrücke , kehrte dann um, lief am „Brandweiher“ vorbei nach Hause.  Herzlichen Dank für deine Photoschau.

    Herzliche Grüße auch an deine Familie

    Lucky

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  6. Avatar von HansPeter Schubert
    HansPeter Schubert

    Herzlichen Dank Karl,

    Du füllst mit Deinen hochinteressanten Beiträgen immer mehr Räume während meiner Abwesenheit damals.

    Viele Grüße

    Hans Peter

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  7. Avatar von Dr. Wolfgang Gschwendtner
    Dr. Wolfgang Gschwendtner

    Lieber Karl,

    bei diesem Artikel werden bei mir tolle Erinnerungen an 1974 wach.

    Bei der Firma Festo erarbeitete ich als Ferienarbeiter einen großen Teil des Geldes für die Wohnungseinrichtung zu meiner Hochzeit. Ich war in der Dreherei, entsorgte die Späne, ersetzte die Metallstangen, aus denen die Teile gedreht wurden und stellte sicher, dass die Abmessungen der Teile spezifikationsgerecht waren.

    Damals war es noch möglich, an 7 Tagen der Woche zu arbeiten. Wenn ich mich richtig entsinne, arbeitete ich täglich 2 Schichten, samstags 1,5 und sonntags eine halbe Schicht.

    Am allerliebsten erinnere ich mich an den Imbiss in den Pausen. Einer der Arbeiter grillte für alle, die wollten, über einer elektrischen Kochplatte Lyoner von der Metzgerei Bund. Dazu gab es Brötchen von Wolf und Bier. Die Biermarke habe ich leider vergessen. Sehr wahrscheinlich war es Becker Bier. So toll gegrillten Lyoner habe ich selbst nie hingekriegt. Nachträglich herzlichen Dank an den Grillmeister. An diesen köstlichen Pausensnack werde ich mich mein Leben lang erinnern.

    Vielen Dank, lieber Karl, dass Du durch Deinen Artikel diese tolle Zeit in meine Erinnerung zurückgerufen hast.

    Herzliche Grüße

    Wolfgang

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